Betrug in der PKV:
Ist ganzheitliche Leistungsbeurteilung die Antwort?
Zusammenfassung der Ergebnisse der Tagung des FK Kranken am 11. Oktober 2019, Erstveröffentlichung im Online-Magazin „Versicherungswirtschaft heute“
Autor: VW-Redaktion
Versicherungsbetrug ist in wenigen Sparten so lukrativ wie in der Krankenversicherung. Das wissen auch die Betrüger, die sich im Milliardenmarkt besonders die PKV als Ziel ausgeschaut haben. Möglicherweise ist die ganzheitliche Leistungsbeurteilung eine Lösung. Der Fachkreis Krankenversicherung hat sich in seiner Tagung am 11. Oktober in Stuttgart intensiv mit dem Problem beschäftigt: der Fachkreisleiter Christian Frenzel (K/B2) hat die Daten zusammengetragen.
Es ist meist ein schlechtes Zeichen, wenn niemand genau weiß, wie groß ein Schaden eigentlich ist. Das ist auch beim Thema Betrug in der Krankenversicherung so, das Bundeskriminalamt berichtet im Jahr 2017 von mehr als 5000 Fällen von Abrechnungsbetrug, deutlich über dem Jahresschnitt.
Monetär wird von einem zweistelligen Milliardenbetrag ausgegangen. Im Fischer Strafgesetzbuch (2005) kann gelesen werden: „Es ist nach allen kriminologischen Erfahrungen davon auszugehen, dass von den jährlich mehr als 250 Mrd. Euro, die im öffentlichen Gesundheitssystem verteilt werden, 3-5 Prozent korruptiv versickern.“
Auf die Versicherungsleistungen inkl. Schadenregulierungsaufwendungen der PKV im Jahre 2018 in Höhe von 26,56 Mrd. Euro bedeutet dieses ein geschätztes Betrugs- und Fehlerpotential von 1,64 Mrd. Euro, schreibt die Fachkreistagung Krankenversicherung.
Das Problem ist also erkannt und es sollte angegangen werden. Die Betrügereien sind vielfältig und umfassen unter anderem die Manipulation von Rezepten, Urkundenfälschungen oder missbräuchliche Inanspruchnahme von Leistungen.
Digitalisierung ist Fluch und Segen
Die Technik im Zuge zunehmender Digitalisierung sollte die Betrügereien eindämmen, doch die zunehmende Technisierung bietet auch Kriminellen neue Einfallstore. So ermöglichen Internetplattformen und Grafikprogramme das Erstellen von Arztberichten oder die Erstellung von Rezepten, mit denen in der Folge dann der Leistungsbetrug erfolgt.
Ein Beispiel für selbstgeschaffene Betrugsmöglichkeiten sind die Rechnungs-Apps der PKV-Unternehmen, die immer zahlreicher werden. Der Versicherungsnehmer schließt mehrere ambulante private Zusatzversicherungen ab und reicht dieselbe Rechnung per App bei allen Versicherern ein. Eine einfache und schnelle Art des Betruges.
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Eine gemeinsame Datenbank der Versicherer könnte dem Problem begegnen, aber eine solche Idee lässt die Stirn des Datenschutzbeauftragten schneller Falten schlagen als die Überarbeitung des Bundesdatenschutzgesetzes durch Mark Zuckerberg.
Die Versicherer begegnen den Betrügereien derzeit noch häufig mit ex-post-Verfahren. Hierzu zählen u.a. das interne Kontrollsystem, das Kommissar Zufall mit eingehenden Hinweisen verknüpft, oder die digitale Bildforensik im Inputmanagement, die die Authentizität von Bildern prüft.
Speziell die Digitale Bildforensik wird wegen des hohen Einsatzes von Einreichungen über die jeweiligen Rechnungs-Apps immer bedeutsamer, glauben nicht wenige Experten. Diese Software prüft vollautomatisch, ob digitale Bilder manipuliert wurden. So können Schadenabteilungen zukünftig die Echtheit sowie den Kontextbezug von Bildern zu einem gemeldeten Versicherungsschaden automatisiert einschätzen – VWheute hat sich intensiv mit den Möglichkeiten beschäftigt.
Das Problem bei den post-Verfahren ist, das einmal ausgezahlte Leistungen nur unter Schwierigkeiten vom Betrügenden zurückgeholt werden können.
Ganzheitliche Leistungsbeurteilung
Aktuell wird darüber diskutiert, inwieweit eine ganzheitliche Leistungsbeurteilung (GLS) die Betrugserkennung in der PKV verbessern könnte.
Hierunter wird das Aufsetzen eines automatisierten Schadenmanagement einschließlich von Missbrauchs- und Betrugskontrolle verstanden. Das Ziel ist es, die retrospektive Betrachtung mit einer real-time Analyse des Leistungsfalles zu verbinden.
Hierbei erhofft man sich eine vollautomatisierte medizinische und gebührenrechtliche Leistungsprüfung. Das beinhaltet die Erkennung von fachlich inkorrekten Arztrechnungen und medizinisch nicht notwendigen Behandlungen. Die Leistungshistorie des Patienten wird in die Entscheidungsfindung mit einbezogen.
Häufig stellen die historischen Daten in den heutigen Leistungssystemen eine gute Datenbasis für die Betrugserkennung dar. Die Datenanalyse in Kombination mit modernen Regel-Engines können eine gute Basis für ein effizientes Betrugsmanagement in der PKV darstellen. Der bisherige ex-post-Ansatz ist jedenfalls nicht mehr zeitgemäß.
Die Analysen im GLS werden genauer, je mehr Daten vorhanden sind. Eine Zusammenarbeit der Versicherer wird daher nötig oder wenigstens wünschenswert sein. Wie das alles mit dem Thema Datenschutz in Verbindung gebracht werden kann, ist eine Frage für einen weiteren Fachartikel.
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